Sokratische Maieutik und Coaching: Eine Synergie aus antiken und modernen Techniken

Sokratische Maieutik, abgeleitet vom griechischen Wort für Hebamme, bezieht sich auf die von Sokrates angewandte Methode, um die Entdeckung von Wissen durch Dialog zu erleichtern. Bei dieser Technik werden dem Einzelnen bohrende Fragen gestellt, um ihm zu helfen, Wahrheiten und Einsichten zu entdecken, die ihm vielleicht nicht bewusst waren. Sokrates glaubte, dass die Menschen durch Dialog und Fragen verborgenes Wissen ans Licht bringen könnten, ähnlich wie eine Hebamme bei der Geburt eines Kindes hilft.

Coaching hat sich seit der Zeit von Sokrates zwar erheblich weiterentwickelt, weist aber verblüffende Ähnlichkeiten mit der sokratischen Maieutik auf. Moderne Coaches setzen Fragetechniken ein, um ihren Klienten zu helfen, ihr Potenzial zu entfalten, Probleme zu lösen und persönliche und berufliche Ziele zu erreichen. Das Kernprinzip beider Methoden besteht darin, den Einzelnen zu befähigen, seine eigenen Antworten zu finden, anstatt ihm direkte Lösungen vorzugeben.

Praktische Beispiele und Anwendung
Klarheit und Selbsterkenntnis:
Sokratische Maieutik: Sokrates stellte seinen Schülern Fragen wie „Was ist Gerechtigkeit?“ oder „Was ist Tugend?“, um kritisches Denken und Selbstreflexion anzuregen.
Coaching: Ein Coach könnte fragen: „Wie sieht Erfolg für Sie aus?“ oder „Was sind Ihre Grundwerte?“. Diese Fragen helfen den Klienten, ihre Ziele zu formulieren und ihre Beweggründe zu verstehen, was zu einer größeren Selbsterkenntnis führt.

Problemlösung:
Sokratische Maieutik: Sokrates benutzte dialektische Methoden, um komplexe Probleme zu dekonstruieren und seine Gesprächspartner zu ermutigen, das Problem aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.
Coaching: Wenn ein Klient vor einer Herausforderung steht, kann ein Coach fragen: „Welche möglichen Lösungen fallen Ihnen ein?“ oder „Was hat sich in der Vergangenheit in ähnlichen Situationen für Sie bewährt?“ Dieser Ansatz ermutigt den Klienten, verschiedene Optionen zu erkunden und sich auf seine Problemlösungsfähigkeiten zu verlassen.

Zielsetzung und Aktionsplanung:
Sokratische Maieutik: Der sokratische Dialog hat den Einzelnen oft dazu gebracht, sich selbst philosophische Ziele und ethische Standards zu setzen.
Coaching: Coaches fragen häufig: „Welche Schritte werden Sie unternehmen, um Ihr Ziel zu erreichen?“ und „Wie werden Sie sich selbst zur Verantwortung ziehen?“ Dies hilft den Klienten, umsetzbare Pläne zu erstellen und sich für ihre Ziele einzusetzen.

Die Essenz der sokratischen Methode liegt in der Förderung eines tieferen Verständnisses und der Selbsterkenntnis durch den Dialog. Coaching verkörpert diese uralte Technik, indem es durchdachte Fragen einsetzt, um Menschen zur Selbstentdeckung, Problemlösung und Zielerreichung zu führen. Indem sie die Kraft der Fragen nutzen, befähigen sowohl die sokratische Maieutik als auch das Coaching den Einzelnen, seine innere Weisheit zu erschließen und sinnvolles Wachstum zu erreichen.

Beispiel für eine Coaching-Sitzung mit sokratischen Fragen

Coach: Willkommen, Alex. Worauf möchten Sie sich heute konzentrieren?
Alex: Ich habe das Gefühl, dass ich in meiner Karriere feststecke. Ich bin nicht sicher, ob ich in meinem jetzigen Job bleiben oder mir etwas Neues suchen soll.
Coach: Das ist eine wichtige Entscheidung. Was genau führt dazu, dass Sie sich in Ihrem aktuellen Job festgefahren fühlen?
Alex: Ich habe das Gefühl, dass ich nicht wachse und nichts Neues lerne. Es ist jeden Tag die gleiche Routine.
Coach: Wie sehen Wachstum und Lernen für Sie aus?
Alex: Ich denke, es bedeutet, dass ich herausgefordert werde und mir neue Fähigkeiten aneignen kann, die mich in meiner Karriere voranbringen.
Coach: Können Sie sich an eine Zeit erinnern, in der Sie sich herausgefordert fühlten und neue Fähigkeiten erlernten? Was war damals anders?
Alex: Ja, als ich mit dieser Arbeit anfing, war alles neu, und ich musste viel lernen. Ich habe diese Phase genossen, weil sie spannend und anregend war.
Coach: Welche Elemente aus dieser Phase können Sie in Ihre aktuelle Situation einbringen, um diese Aufregung und Stimulation wieder zu erzeugen?
Alex: Vielleicht könnte ich neue Projekte übernehmen oder um mehr Verantwortung bitten. Ich könnte mich auch nach Weiterbildungen oder Kursen umsehen.
Coach: Das klingt nach großartigen Ideen. Welche Schritte können Sie jetzt unternehmen, um diese Optionen zu erkunden?
Alex: Ich kann mit meinem Vorgesetzten über die Übernahme neuer Projekte sprechen und einige Online- Kurse recherchieren, die mit meinen Karrierezielen übereinstimmen.
Coach: Was glauben Sie, wie sich diese Schritte auf Ihr Gefühl des Feststeckens auswirken werden?
Alex: Ich glaube, ich werde mich dadurch engagierter und motivierter fühlen. Es wird mir auch zeigen, ob ich mich in meinem derzeitigen Job weiterentwickeln kann oder ob ich andere Möglichkeiten in Betracht ziehen sollte.
Coach: Was wird Ihre erste Handlung sein, und wann werden Sie sie durchführen?
Alex: Ich werde für nächste Woche ein Treffen mit meinem Vorgesetzten anberaumen, um neue Aufgaben zu besprechen. Außerdem werde ich dieses Wochenende einige Zeit damit verbringen, mich über Kurse zu informieren.
Coach: Das klingt nach einem soliden Plan. Wie werden Sie sich selbst für diese Maßnahmen zur Rechenschaft ziehen?
Alex: Ich werde auf meinem Handy eine Erinnerung einrichten und mich bei unserer nächsten Sitzung bei Ihnen melden, um Sie über meine Fortschritte zu informieren.
Coach: Ausgezeichnet. Ich freue mich darauf, zu hören, wie es läuft. Denken Sie daran: Wachstum entsteht oft durch kleine, konsequente Schritte. Gibt es noch etwas, das Sie heute ansprechen möchten?
Alex: Nein, das war wirklich hilfreich. Vielen Dank dafür!
Coach: Gern geschehen, Alex. Ich wünsche Ihnen eine schöne Woche und bis zum nächsten Mal.

In dieser Sitzung verwendete der Coach sokratische Fragen, um Alex dabei zu helfen, seine Gefühle des Feststeckens zu erforschen, herauszufinden, was Wachstum und Lernen für ihn bedeuten, sich an frühere Erfahrungen zu erinnern, Ideen für Maßnahmen zu entwickeln und einen Plan zu erstellen. Dieser Ansatz fördert die Selbstreflexion, Problemlösung und Verantwortlichkeit und befähigt den Kunden, seine eigenen Lösungen zu finden.